Traumasensibles Coaching

Wie der Begriff schon andeutet, geht es beim traumasensiblen Coaching nicht um einen therapeutischen Prozess im klassischen Sinne, sondern vielmehr darum, die zentrale Fähigkeit (zurück) zu erlangen oder zu verbessern, die es uns ermöglicht, mit den Herausforderungen des Lebens erfolgreich und gesund umzugehen.

Welche Fähigkeit ist das?

 

Selbstregulation

Mit Selbstregulation ist gemeint, dass wir dazu in der Lage sind, unser Erregungsniveau innerhalb eines Fensters zu halten, in dem unser Nervensystem sich sozusagen wohl bzw. sicher fühlt ("Window of Tolerance").

Verlassen wir dieses Fenster nach oben, schaltet unser Nervensystem um in den Kampf-/Flucht-Modus. Fällt das Erregungsniveau unterhalb des Fensters ab, fühlen wir uns erstarrt, lahmgelegt, kraftlos (siehe Abbildung).

Oft passiert es, dass wir anscheinend wie auf einer Achterbahn ständig zwischen Über- und Untererregung hin- und herpendeln. Wir haben dann das Gefühl, nicht in uns zu ruhen, sondern im Wechsel entweder überaktiv oder total erschöpft zu sein.

Tritt eine solche sogenannte Dysregulation häufiger bzw. über einen längeren Zeitraum auf, entstehen ggf. Folgeerscheinungen auf körperlicher und/oder psychischer Ebene.

Dazu können gehören:

  • Schmerzen
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Magen-Darm-Erkrankungen
  • emotionale Unausgeglichenheit
  • Übererregbarkeit
  • Unruhezustände, Ängste
  • emotionale Taubheit
  • Erschöpfungszustände
  • Depression, Burn-out
  • und vieles mehr

 

 

 

 

Abbildung:

Toleranzfenster

("Window of Tolerance"):

anfänglich gute Selbstregulation, dann Dysregulation nach "toxischem Stress"

Was hat Selbstregulation mit Trauma zu tun?

Unsere Fähigkeit zur Selbstregulation entwickelt sich in den ersten Lebensjahren. Babies sind noch nicht in der Lage, sich selbst zu regulieren und brauchen dafür eine Bezugsperson, die mit ihnen in enger Beziehung steht und ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermittelt - sie benötigen eine sogenannte Co-Regulation.

So kann ihr autonomes Nervensysytem (ANS) mit der Zeit immer besser lernen, mit zunehmend intensiveren Reizen von außen und innen umzugehen. Das Toleranzfenster erweitert sich immer mehr und das ANS entwickelt die Fähigkeit, über längere Zeiträume innerhalb dieses Fensters hin- und her zu pendeln bzw. zu "schaukeln" (siehe Abbildung).

 

Nicht immer läuft dieser Entwicklungsprozess ganz reibungslos ab - gibt es ernsthaftere Störungen, bezeichnet man dies als Entwicklungstrauma. So etwas kann bereits durch Erlebnisse ausgelöst werden, die aus der erwachsenen Perspektive vergleichsweise harmlos erscheinen, für das Baby oder Kleinkind allerdings eine hohe Stressbelastung darstellen (schwierige Geburt, längere Trennung von der Bezugsperson - z.B. wegen eines Krankenhausaufenthalts, emotional wenig präsente Bezugsperson, schwierige Bindungserfahrungen etc.). Solche Erlebnisse sind gar nicht so selten und somit erklärt sich, dass das Thema Entwicklungstrauma viel mehr Menschen betrifft, als man vielleicht vermutet.

 

Und dann kommt möglicherweise irgendwann im Leben noch etwas dazu, das das Nervensystem vollkommen überfordert - ein Erlebnis, das zu groß, zu schnell, zu furchtbar, zu überwältigend ist und mit dem wir in der entsprechenden Situation nicht umgehen können. So etwas bezeichnet man dann als Schocktrauma. Das kann ein Unfall sein, der Verlust eines nahestehenden Menschen oder auch des Arbeitsplatzes, Gewalterfahrungen, Mobbing und vieles mehr. Auch diese Traumata (in der Abbildung als "toxischer Stress" bezeichnet) beeinflussen je nach persönlicher Konstitution und Situation (Stichwort Resilienz) in der Folge in unterschiedlichem Ausmaß unsere Fähigkeit zur Selbstregulation.

 

Diese Hintergründe zu kennen, auf die Situation des jeweiligen Klienten anzwenden und die Erkenntnisse dann im Coaching-Prozess in methodisch geeigneter Art und Weise einfließen zu lassen - das ist für mich traumasensibles Coaching.